Die Dinge des Lebens
von Alexander Stumm
Die Dinge des Lebens ist eine Referenz an die gleichnamige Verfilmung von Claude Sautet. Die Geschichte, als Reflexion und Rückschau eines sterbenden Mannes irgendwo zwischen Erinnerung und Traum, entwirft in scheinbar nebensächlichen Episoden ein ausgefülltes Leben. Katrin Kampmann setzt sich mit den im Sinne des Diptychons paarweise angeordneten Aquarellen und Lochkameraphotographien auseinander. Hélène zeigt Romy Schneider im klassischen Dreiviertel-Portrait im Wagen von Michel Piccoli (der wenige Stunden später der Schauplatz seines Unfalls sein wird) mit abgeklärtem Blick und verhaltenem Lächeln. Die nebenstehen-de Photographie zeigt die Überblendung eines Filmstills aus Wim Wenders „Paris, Texas“ und einer attischen Vase, in der die erste Begegnung der in den Versen Homers besungenen antiken Hélène/Helena mit Menelaos dargestellt ist. Der wehrhafte Krieger lässt angesichts ihrer Schönheit seine Waffen fallen. Ein fliegender Eros kündet von kommendem Heil, wird aber später auch der Auslöser für den großen legendären Krieg der Antike sein, wenn Paris durch göttliche Intervention die Liebe der Helena raubt. Mit dem Image der naiven Schönen musste schließlich auch Romy Schneider Zeit ihres Lebens kämpfen und führt so die Rezeptionsebene vom »Schein« der repräsentierten Figur auf das »Sein« der Person selbst. Das Pendant neben dem Bildnis Michel Piccolis alias Pierre zitiert das Stillleben als traditionelles Motiv der Erinnerung an die eigene
Sterblichkeit. Eine Uhr, Zigaretten im Aschenbecher, die Abbildung eines Unfalltoten auf einem Magazincover sind hier als modern Verweise und Vorausschau auf das Ende festgehalten. Das Gemälde „Tag ohne Schatten“ zeigt das Sinnbild des Glücks, einen gelassen -ausgelassenen Fahrradausflug. Bei Kampmann verschwimmt die Szene, mit Öl und Aquarelltechnik aufgetragen, in abstrakt verlaufenden Farbflächen. Der Gedanke des Unfertigen, des nicht Abgeschlossenen zieht sich als Leitfaden durch ihre Arbeiten. Die Figuren im Negativ erscheinen wie Phantome, Empfindungen zwischen Traumhaftem und Memento. In „Undine“ finden wir das Bildnis einer Frau, die Dinge ins Wasser wirft. Sie weiß, dass sie, ihrer Erinnerung beraubt, als Wassergeist in dieses Wasser zurückkehren soll. In der Hoffnung, sie mögen die Erinnerung wieder wachrufen, wenn sie ihnen dereinst auf dem Grund des Flusses begegnet, wirft sie die Dinge dieses Lebens hinein und macht sie so zu Datenträgern. Im Januskopf #3 (Hélène/Pierre) wird sinnbildlich auf die unlösbaren Gegensätze der Dinge des Lebens verwiesen und so leitet das Bild zum eigentlichen Gegenstand der Werkgruppe zurück. Um mit einem René Pollesch Zitat zu schließen: »Vielleicht könnten wir durch die Liebe hinter das Geheimnis unserer Austauschbarkeit kommen, hinter die Austauschbarkeit unserer Einzigartigkeit in dieser Gemeinschaft.«